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Re: "Die richtige Sub" ...zum Beitrag von Seilchen

geschrieben von nachtschatten  am 20.11.2011 um 22:56:47 - als Antwort auf: Re: "Die richtige Sub" ...zum Beitrag von Seilchen von Liara88
Hallo Liara,

du scheinst ja schon Einiges erlebt zu haben. Danke, dass du deine Gedanken hier so offen teilst.

„Nur war vieles was ich in der Zeit gelesen habe, nicht unbedingt hilfreich dabei“

Genau da hoffe ich ein wenig ein Gegengewicht zu setzen. Aber wie du schreibst, sind derartige Auseinandersetzungen oft erst mal eher unangenehm und deshalb unbeliebt.


Einen Punkt möchte ich noch etwas genauer ausführen. Ich habe mir schon gedacht, dass der auf Widerspruch stösst und ich will auch nicht auf meinem (ganz gewiss gewagten) Standpunkt beharren. Aber vorher will ich doch noch einmal etwas genauer werden:

Wenn du die Stelle nochmal genau liest, dann merkst du, dass ich geschrieben habe „sublimierter sexueller Sadismus“.


Aus: „Kleines Wörterbuch der Psychoanalyse“:


Sublimierung:
Beim unbewußten seelischen Vorgang der Sublimierung wird ein Triebimpuls in ein nicht triebgebundenes Verhalten verwandelt. So kann zum Beispiel die sexuelle Neugierde in intellektuelle Neugier sublimiert werden. Für die Entwicklung der Sublimierungsfähigkeit ist der Erwerb der Fähigkeit zur Symbolbildung eine entscheidende Vorraussetzung. Sublimierungsprozesse spielen bei künstlerischen Betätigungen und intellelektuellen Aktivitäten eine bedeutsame Rolle. Die Sublimierung bezieht sich neben der Umwandlung sexueller Impulse auch auf die aggressiver oder narzißtischer Tendenzen.“


Ich meine also bei der Frage nach den „Verbrechen in der Menschheitsgeschichte“ nicht das Vorhandensein bewusster sadistischer Impulse, sondern einen Akt, der diese Impulse sublimiert, also in einer Weise entstellt, die weder beim Handelnden noch in der Handlung selbst die sadistische Lust unmittelbar erkennen lassen. In vielen Fällen würden solche Neigungen dann sogar als abstossend empfunden werden, was ja gerade das Bedürfnis, sich ihrer zu entledigen anzeigt. (wusstet ihr, dass die Nazis SM in den Wehrmachts-Bordellen verboten haben? Ebenso wie viele andere autoritäre und brutale Regime ausgerechnet SM als etwas Verbotenes behandeln.)

In deinem Beispiel, Liara, fällt das natürlich beides zusammen. Aber ist ein „persönlicher Vorteil“, der sich auf die Ausbeutung Anderer stützt nicht immer noch ein Machtspiel? Wirkliche persönliche Bereicherung kann ich doch nur finden, indem ich mich mit Anderen zusammentue, als eine Person, die achtet und geachtet wird. Das, was du mit „persönlichem Vorteil“ meinst bezieht sich dagegen immer auch auf einen beiläufigen Lustgewinn – indem ich etwas oder jemanden besitze, darüber bestimmen kann etc..

Wenn also jemand das Bedürfnis hat, seine Macht innerhalb der Gesellschaft auszuweiten, dann mag er das in irgendeiner angeblich rationalen Begründung durchsetzen, an die er selbst glaubt.(politisch, wirtschaftlich, religiös etc..) Letztlich geht es aber um Macht, und in dem Streben nach Macht versteckt sich dann aus meiner Sicht immer auch der Wunsch, Macht über Andere auszuüben.
Wenn dann Menschen im Auftrag eines solchen Mächtigen handeln, dann basiert das aus meiner Sicht ebenso auf einer Verschiebung/Sublimierung – einerseits ihres Autoritäsbedürfnisses (Befehle ausführen), andererseits ihres verdrängten Sadismus („Nicht ich will diesem Menschen Leid antun, sondern ich führe nur einen Befehl aus“). Das ursprüngliche, verdrängte Triebziel – die Unterwürfigkeit und die sadistische Lust – werden dabei unbewusst befriedigt. (Wenn dann ganze Gesellschaften in solchen Systemen aufgehen, stellt sich natürlich die Frage nach einer Massenneurose die zu derartigen Persönlichkeitsmustern führt)

Selbstverständlich geht eine solche Ansicht auch davon aus, dass sadistische und masochistische Lust ebensowenig einfach etwas Angeborenes oder Selbstverständliches sind. Aber hier stellen sich aus meiner Erfahrung viele SMler quer, weil sie sich damit in ihrer sexuellen Identität angegriffen fühlen.

Ich möchte diese Frage vorerst mal zurückstellen und daran erinnern, dass wir zunehmend in einer weltweiten Ideologie leben, deren Haus-Philosophen behaupten, dass am besten jeder versuchen sollte, seine eigenen Bedürfnisse so gut wie möglich zu befriedigen und dass dann eine „unsichtbare Hand“ alles regeln wird.
Dieses von uns allen bereits verinnerlichte geistige Rüstzeug der „freien Marktwirtschaft“ braucht vor allem ein Menschenbild, in dem wir alle einfach unhinterfragbare Konsumenten sind. (Diese Behauptung ist nicht politisch, sondern philosophisch gemeint!)
Man könnte also sogar so weit gehen zu behaupten, dass dieses Menschenbild den Umgang mit Themen der sexuellen Neigung eben gerade deshalb so sehr auf eine Identifikation mit einer Rolle verlegt, deren Bedürfnisse es unhinterfragt und bestmöglich zu befriedigen gilt.
(Wenn wir nun behaupten, die Menschen seien einfach egoistisch, und dies sei die Form der Gesellschaft, die deshalb dem Menschen am besten angemessen ist, dann gehen wir genau verkehrt herum vor. Jene, die diese Form der gesellschaftlichen Ausbeutung installiert haben, könnten sich ebenso die dazugehörigen Menschen erzogen haben. Konkurrenz, Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, tolle Sachen besitzen – das sind die Schlagworte, mit denen junge Menschen heute ausgestattet werden. Der viel beschworene „Teamgeist“ wird niemals auf die gesamte Menscheit hin definiert sondern immer nur im Rahmen wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes – Unternehmen gegen Unternehmen)

In einem solchen Menschenbild geht natürlich die Frage nach dem Ursprung der eigenen Neigungen und Wünsche völlig unter. Ebenso wie die Frage nach dem Gewissen ja selbst auf der Ebene globaler Probleme von der Frage nach der finanziellen Machbarkeit abgelöst wurde.

Ich bin der Meinung, dass in einer solchen Welt auch die Fragestellungen, die sich die „BDSM-Kultur“ selbst stellen will, neu formuliert werden müssen. Vor allem auch für solche Menschen, die in solche Foren hineinlesen und Antworten suchen und vielleicht nicht am Ende auf der Intensivstation landen wollen, wie es dir erging.

In einer Gesellschaft, in der Depressionen und Gefühle der Hilflosigkeit zunehmend zu den Tagesthemen gehören, reicht es  nicht mehr aus, alles auf irgendeinen Konsens zurückzuführen. Es geht darum die Menschen aktiv in ihrer Gesamtsituation wahrzunehmen und nicht blind jedes Bedürfnis nach Macht oder Unterwerfung als klaren Fall von BDSM abzuhaken.

Meiner Meinung nach spielt das Verständnis der Ursprünge unserer Neigung eine wichtige Rolle dabei. Es muss einfach klar sein, dass eine Frau, die das Bedürfnis hat, sich bedingungslos völlig selbst aufzugeben, nicht einfach eine „Sub“ ist, sondern in erster Linie mal ein Problem hat.
Das heisst ja nicht, dass sie dann nicht über ihre Wünsche und Bedürfnisse zu sich selbst finden kann und auch nicht, dass sie diese nicht ausleben soll. Ich würde ihr aber niemals raten, sich einfach mit ihrer Unterwürfigkeit zu identifizieren. Das ist mein Beitrag, den ich als „Gleichgesinnter“ zu geben habe.

Klar: BDSM soll Spaß machen. Aber wenn das so leicht getan wie geschrieben wäre :-) Ich bin jedenfalls der Meinung, dass irgendwelche Regeln für Subs nicht ausreichen, um die tiefen emotionalen Prozesse zu verstehen, die uns bewegen. Und wenn die Regel für Sub ist, dass sie einfach den Mund zu halten hat, dann kann das nunmal auf der Intensivstation enden.

Wenn es dann danach in den Medien heisst: “Die waren so typische SMler, die wollte das, war vorher schon mit einem Schläger zusammen“, dann ist das auch unser Versagen, weil wir es zunehmend versäumen, uns von derartigen Verhältnissen aktiv und ideell abzugrenzen. Und das geschieht nach meiner Ansicht deshalb, weil wir uns davor sträuben auch die unangenehmen Fragen nach unserer Neigung zu stellen.

Also Liara, ich wäre an deinen „unbequemen“ Thesen wirklich sehr interessiert und ich würde mich freuen, wenn du dich trauen würdest, sie hier zu äussern.

Grüsse

nachtschatten


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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 20.11.2011 22:56
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