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Re: Pornografie, Moral und gesellschaftliche Verhältnisse (als Antwort an Tilly)

geschrieben von nachtschatten  am 14.11.2012 um 11:32:29 - als Antwort auf: Re: Pornografie, Moral und gesellschaftliche Verhältnisse (als Antwort an Tilly) von lauscher
Hallo,


Also ein paar Einwürfe habe ich schon:

"Wir sind, und da fragt mal einen Mediziner, irgendwo immer noch Urmenschen. Und
   der Forpflanzungstrieb, und die Steigerung davon, der Überlebenstrieb sind die
   absoluten Grundbausteine unseres Daseins. Nicht umsonst werden im Tierreich viele
   Weibchen regelrecht vergewaltigt."

Ich möchte ja nicht behaupten, dass wir etwas besseres als die Urmenschen sind. Aber die Zivilisation fordert uns zumindest in gewissem Sinne ein komplizierteres Geflecht an Verhaltensweisen ab. Kompliziertere soziale Vernetzungen bedürfen auch eines komplizierteren Umgangs mit unseren "Urtrieben". Abgesehen davon kann man bei kaum einer Bevölkerungsgruppe, die sich noch in der Organisationsweise steinzeitlicher Jäger befand, als sie entdeckt wurde, feststellen, dass hier wie wild vergewaltigt und drauflosgepoppt wurde. Selbst die "einfachsten" menschlichen Gruppen haben ein äusserst sensibles Geflecht an sozialen Normen und Ordnungen, die auch ihre Sexualität regeln und mit Tabus belegen.

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der die menschliche Sexualität von der beinahe aller Arten im Tierreich abhebt: Menschen sind sozusagen das ganze Jahr hindurch und zu jeder Zeit sexuell reizbar und können Lust empfinden. Tiere haben dagegen meist spezielle Jahreszeiten oder Zyklen, in denen die Fortpflanzung in den Vordergrund tritt.

Das spannende an der Auseinandersetzung mit der menschlichen Sexualität ist damit nicht, dass sie eben ein Urtrieb ist, sondern spannend und aufschlussreich wird es ja dadurch, dass man betrachtet, wie verschiedene Kulturen mit diesem Trieb umgehen und ihn in ihrer Gesellschaft verankern, instrumentalisieren oder bekämpfen. Die Geschichte der menschlichen Sexualität ist immer die Geschichte des kulturellen Umgangs mit diesen Trieben.

Wenn man in der Kultur auch ein Muster psychischer Verankerungen im Individuum sieht, erstreckt sich damit die Auseinandersetzung auch auf die Psyche des Einzelnen. Man kann dann fragen, wie sich ein bestimmter kulturell verankerter Umgang mit Sexualität und Lust im seelischen Selbstverständnis eines dazugehörigen Individuums niederschlägt. Die kulturell erzeugten Bilder von Geschlechterrollen und der Rolle der Sexualität hat immer auch einen Einfluss auf die Empfindungen des Subjekts beim Erleben der Sexualität. Seit Freud muss man sich auch mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass es dabei durchaus unbewusste Zusammenhänge geben kann.




4. Liebe hat nicht zwingend Lust und/oder Sex zur Folge
   Ich liebe ja auch meine Geschwister, Eltern und Kinder, ohne den Gedanken an Sex

5. Sex und/oder Lust hat/haben nicht unbedingt Liebe zur Folge
   Wieviele Quickies gibt es, ohne dass mehr daraus wird?




Es ging uns ja im vorherigen Text nicht darum, herauszustellen, dass Liebe und Sex zwingend zueinander gehören müssen, dass es also keine Liebe ohne Sex geben kann, oder keinen Sex ohne Liebe, sondern es ging uns darum, inwiefern die Fähigkeit generell abhanden kommt, das beides zu verknüpfen bzw. diese Tendenz von der Pornografie gefördert wird.

Dass man beim Gedanken an Eltern, Geschwister und Kinder keine Lust empfindet liegt allerdings sicher auch an der Inzestschranke, die in erster Linie eine kulturelle, also eine über das Unterbewusstsein vom Kind erst verinnerlichte ist, und die deshalb mit psychischen Abwehrmechanismen aufrechterhalten werden muss. Aus diesem Zusammenhang heraus baut jedenfalls Freud seine komplette Theorie des Ödipuskomlexes auf.

Ich habe den Focus-Artikel nicht gelesen, weil ich keine Lust habe, den „gefällt mir“ Button vorher zu drücken, um irgendwohin Werbung zu bekommen. (Ist das das Geschäftsmodell von Focus: erst „Gefällt mir“, dann lesen? ;-)) Aber die genannten Bonobos sind im Übrigen ein Beispiel für Primaten, die auch über die Inzest-Schranke hinweg sexuell verkehren.


„Pornografie stellt somit eine Notwendigkeit dar, weil sie das Ventil dafür ist, gewisse Spannungen abzubauen, die in, oder auch durch unsere jeweils bestehende Gesellschaft, entstehen.“

Ich würde zustimmen, dass Pornografie diese Funktion in gewisser Weise in unserer Kultur erfüllt. Dass nur Pornografie diese Funktion erfüllen kann und damit eine Notwendigkeit darstellt, bezweifle ich aber. Ich bin der Meinung, dass der grösste Teil der Bevölkerungsschichten im größten Teil der Menscheitsgeschichte ohne Pornografie als Masturbationsvorlage auskommen musste. Man darf das ja nicht verwechseln mit z.B. erotischen Elementen in Volkserzählungen, die ja nicht als Vorlage zur Selbstbefriedigung dienen können, und somit allerhöchstens genau im gegenteiligen Sinne eines Ventils wirken konnten.

Selbstverständlich hat es gewiss durch die Menscheitsgeschichte in allen Kulturen und Schichten Masturbation gegeben. Aber Tilly geht es ja gerade um die visuellen Reize und Darstellungen im Zusammenhang mit Masturbation, die das ausmachen, was wir hier als Pornografie ansprechen. Und soweit ich Tilly richtig verstehe, geht es ihr darum, zu zeigen, dass diese visuellen Einflüsse und Reize unsere Wahrnehmung und unsere Einstellungen beeinflussen.

Inwiefern hier eine Umbesinnung stattfindet, kann ich nicht sagen. Ebenso wie unsere Theorie der zunehmenden Vereinzelung ist soetwas sicher statistisch schwer zu erfassen. Es geht hier schließlich auch um eine Form des inneren Erlebens. Vergleichbar könnte man sagen, dass es absurd wäre, anhand von Facebook-Freundschaften zu beurteilen, wieviel soziale Wärme jemand in seinem Leben erfährt.

Aber das mit der Vereinzelung, die Tilly und ich meinen, darf man auch nicht falsch vestehen. Ich denke, hier geht es weniger darum, zu meinen, dass nun jeder alleine in seiner Wohnung sitzt, sondern vielmehr darum, welche Qualität die stattfindenden Kontakte haben, wie gesellschaftliche Entscheidungen zustande kommen und durch was soziale und intime Kontakte gefühlsmäßig vermittelt sind.

Man könnte hier beispielsweise fragen, ob Sex als Stressbewältigung tatsächlich Menschen zueinanderführt, oder ob sich hier schon eine Schablone der Pornoindustrie verwirklicht hat, die unserer zunehmend auf Leistungsverwurstung ausgerichteten Gesellschaft ganz gelegen kommt.

Man muss auch aufpassen, was Forscher gerne beobachten wollen und was sie tatsächlich beobachten, wenn man hier mal wieder die Bonobos heranzieht, die vielleicht auch einfach ungehemmter Spass haben. Dazu zum Abschluss noch eine Beobachtung, die ich mal irgendwo gelesen hatte:

Ein Forscher beobachtete, dass ein Affenweibchen sich prostituierte, und damit war dann die spannende Frage gestellt, ob Prostitution nicht sogar schon in der Natur vorkommt. Was hat er beobachtet? Ein Affenmännchen brachte einem Weibchen ein wenig Nahrung mit und die beiden teilten sie. Danach hatten sie Sex. Dass nun ein Forscher das als Prostitution erkennt, liegt einfach nur an seiner völlig klischeehaften Sicht der Dinge, die mehr über die Einstellung des Forschers zu Frauen und Eigentum verrät, als über das tatsächliche Verhalten der Affen. Vielleicht hat das Männchen ja nur ganz selbstverständlich geteilt, und danach haben die beiden sich ein wenig vergnügt. Jedenfalls hat dieser Forscher gewiss ganz nebenbei jede Frau beleidigt, die sich von einem oder ihrem Mann in ein hübsches Restaurant einladen lässt, und danach in der Hoffnung auf etwas mehr noch mit ihm nach Hause geht.

Grüsse

nachtschatten
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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 14.11.2012 11:32
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