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Neigung und Gewissen - weitere Gedanken

geschrieben von nachtschatten  am 02.04.2009 um 19:56:37 - als Antwort auf: Neigung und Gewissen von nachtschatten
Hallo,

um zu vermeiden, dass sich das ganze Thema in dutzende Einzeltexte aufsplittet, werde ich versuchen in einem Text und möglichst(!) allen ein wenig zu antworten. (Dafür nehme ich mir schon mal heraus, dass es etwas länger werden darf)
Jedenfalls erst mal vielen Dank für die Antworten.

Vorweg:
Falls irgend jemand hier das Gefühl bekommen sollte, dass ich im Folgenden seine/unsere Neigungen in irgend einer Weise in Frage stellen oder relativieren will, dann werde ich gewiss mißverstanden! Lebt euch aus und genießt – ich bin selbst noch nie zu einem anderen Schluss gekommen und werde auch dabei bleiben. Ich mache mir nur gerne Gedanken...


Ich bin mir also mit „Sklavin ela“ einig, dass die Ursprünge gewisser Neigungen im psychologischen zu suchen sind. In deinem Fall ist das natürlich ein ziemlich krasses Beispiel (Übrigens nehme ich deine Meinung als die einer Frau durchaus an. Nur weil du dir deinen Platz als Frau in der Gesellschaft auf etwas aussergewöhnlichere Weise erkämpfen musstest, heisst das ja nicht, dass das dann nicht zählt)
Es gab sicher auch schon einige Auseinandersetzungen, die die Frage stellten, was denn so ablaufen muss, damit man einen Hang zum Sadismus entwickelt. Irgendwann wird diese ganze Fragerei aber wohl auch irgendwie sinnlos. Ich halte nichts davon, sich zu fragen, was man hätte ändern können, müssen etc. .. Lebensgeschichten bleiben komplex. Nicht zuletzt möchte ich damit auch die Perspektive von anubis ins Spiel bringen: Auch im Tierreich geht es rund. Und was wem wie erscheint, bleibt eine Frage der Ideologie. Und die können wir uns hier sparen.

Wir können also unsere Neigungen anerkennen und akzeptieren, dass das, was uns irgendwie glücklich macht gut für uns ist.
Aber ist BDSM einfach nur eine Neigung? Sado, maso, devot, dominant ...
Wo wären wir wohl zum Beispiel gelandet, wenn wir mit unserer Neigung im „finsteren Mittelalter“ gelebt hätten? (Um uns alle zu schonen, will ich die Neuere oder gar aktuelle Zeitgeschichte einfach mal weglassen.)
Das was nach meinem Eindruck die meisten Menschen leben, die sich irgendwie als SMler BDSMler oder sonstwie bezeichnen, lebt noch von etwas mehr:
Von Respekt, von Achtung, Einfühlsamkeit und sicher nicht zuletzt Liebe (Möge mich jetzt für einen Softi halten, wer mag)
All diese Eigenschaften wurden uns irgendwie von unserer Kultur mitgegeben (Das meine ich nicht national oder ideell, sondern einfach in dem Sinne: Der Mensch als kulturelles Wesen)
Und hier glaube ich, beginnt die ganze Debatte, die ich zuletzt angesprochen habe. Die Vorstellungen, die nach meiner Erfahrung die meisten Menschen leben, die sich als SMler bezeichnen, kann ich akzeptieren, weil ich gemerkt habe, dass diese Menschen auch unglaublich gewissenhaft und einfühlsam sind. Weil es hier so gut passt, zitiere ich „sklavin ela“:

„...Aus meinen Erfahrungen kann ich nur sagen, das Herren und Herrinen mehr Rücksicht auf ihre Sklavin/Sklavinnen nehmen als "normale" Partner. Da wird vorher festgelegt was geht und was nicht und mittels Safewort kann alles sofort beendet werden. Es wird laufen überprüft ob es einem gut geht und alles gut verläuft. Dominante Männer sind in den meisten Fällen sehr besorgt und fürsorglich....“
- danke für diese Worte :)

Somit wird das, worüber die meisten hier sprechen zu einem sehr komplizierten Geflecht aus Neigungen, Einsichten, Überzeugungen etc...
Es reicht nicht aus, nur unsere Neigung zu definieren. Und ich bin sicher, es gibt auch etwas anderes. Das meinte ich damit, dass ich die Perspektive verstehe, aus der manche Menschen einen kritischen Blick auf die mittlerweile Verfügbarkeit von fast allem werfen.
Ich habe einmal eine interessante Definition von Pornografie gehört, die ungefähr sagt, dass Pornografie vorliegt, wenn jemand vordergründig aus Profitinteresse sexuelle Handlungen zeigt. Nun, die Diskussion über die Möglichkeit heute überhaupt noch etwas ausserhalb des Profits zu unternehmen gehört nicht in dieses Forum! Nur ein Aspekt ist dabei wichtig:
Während es viel gute BDSM-Erotika gibt (um ein anderes Wort zu finden) ist eine rein profitorientierte Darstellung oft in keinster Weise mehr an Aufklärung interessiert! Hier wird lediglich eine Neigung gefüttert, die weder hinterfragt wird, noch wird der Umgang damit gelehrt.
Wie ich oben versucht habe aufzuzeigen, spielen gerade diese Faktoren aber bei dem was wir als unsere „Szene“ definieren würden eine unglaublich große Rolle.
Während wahrscheinlich meine selbst noch recht junge Generation die Zeit erlebt hat, in der man versucht hat, seine Lust im gesellschaftlichen Kontext zu rechtfertigen (ich bisher nur für mich selbst) können junge Menschen heute tatsächlich einen völlig unhinterfragten Zugang zu beinahe jeder Art von „Perversion“ ausleben (auf die Pornografie bezogen).
Ich habe das Gefühl, dass jemand, der sich auseinandergesetzt hat, diese dünne, beinahe unsichtbare Membran erkennt, die eine heftige Session von sagen wir nur als Beispiel einer wirklichen Vergewaltigungsszene unterscheidet. Ein SMler legt ja gelegentlich Wert darauf, den Unterschied zeitweise zu vergessen – eine große Kunst! Und doch sind diese zwei Dinge so etwas grundverschiedenes, dass man es gar nicht genug betonen kann! Doch was hat uns gelehrt, diese zwei Welten zu unterscheiden? Und wird es die Generation nach uns auch noch verstehen?

Natürlich geht es für uns schon lange nicht mehr um die Geschlechterfrage. (ich switche übrigens auch gerne mal – habe mit meiner Partnerin beschlossen, dass sie einfach bei mir in Schule geht, nur so als Tipp für „spazio“ :)) Für Menschen die wirklich kreativ und verspielt sind, ist es doch  langweilig, sich so festlegen zu lassen.
Aber woanders scheint dieser Kampf noch zu toben. Scheinen Hass und Erniedrigung und deren seltsame Verknüpfung mit Lust ganz andere Richtungen einzuschlagen. Ich kenne Frauen, die selbstbewusst sein wollen, und sich manchmal fragen, ob sie dann auch mal schwach sein dürfen. Aber bei vielen jungen Mädels kommt es mir so vor, als ob sie ihr Selbstbewusstsein darauf Gründen, Rollen zu erfüllen. Ich bin ein sehr sensibler Mann, der versucht, zu sich zu stehen, und gerne auch mal schwach ist. Aber viele Jungs, die ich kenne, verstehen sich selbst nur als stark, wenn sie brutale Gewinner sind. Ich meine, dass die Neigungen, die wir alle kennen, auch dort ihren Platz haben, aber ganz andere Bedeutung gewinnen; dass die Rolle Mann-Frau, die viele offene BDSMler sehr differenziert wahrnehmen in anderen Ecken durchaus extrem sexistisch geprägt ist. Diese Kombination kann etwas hervorbringen, was unserer Idee der Befreiung völlig widerspricht.

Deshalb glaube ich, dass es gar nicht mehr so sehr unsere Aufgabe ist, ein Verständnis für unsere Neigungen zu erkämpfen, sondern vielmehr das zu definieren, was wir eigentlich sein wollen, und zwar in dem komplexen Zusammenhang, in dem es tatsächlich steht. Denn wir sollten Verständnis dafür haben, dass ein Aussenstehender erst einmal Gewalt wahrnimmt, wo, wie oben beschrieben, zwei völlig verschiedene Filme ablaufen.
Vielleicht ist die Aufgabe der SM-Kultur nicht sosehr das kämpfen um Akzeptanz, sondern vielmehr das Schaffen einer Spielkultur, das Aufzeigen einer Möglichkeit, mit sich umzugehen. Mein Eindruck ist, dass uns manchmal viel weniger unsere Neigungen verbinden, als vielmehr unser Respekt voreinander und die Art sie zu leben.

„Güfix“ hat sicher einen wichtigen Punkt erkannt. Es ist vor allem Sache der Frauen, für das Verständnis ihrer Seite einzustehen. Aber es ist für die Männer mit dominanter Rolle auch unglaublich wichtig, dass ihnen (den Frauen) das gelingt. Ich finde es auffällig, dass in populären Berichten über SM die Verteilung F/m viel häufiger als Besipiel gewählt wird. Für mich bleibt die Frage nach Rolle und Geschlecht nur eine Frage danach, was gefällt. Aber in der Öffentlichkeit scheint klar zu sein, dass da noch immer eher gefälligere Zugeständnisse gemacht werden, als die wirklich unangenehmen. So sehr ich es auch genießen kann, wenn ich dominant bin. Dass Frauen auch meine Freuden verteidigen, wenn sie zu ihren Wünschen stehen, macht sie für mich anbetungswürdig.

So weit erst mal...


Sorry, dass ich jetzt einfach mal begonnen habe, „wir“ zu sagen. Ich kann mir vorstellen, dass mir so mancher widersprechen wird und ausserdem stehe ich einem wir- Gefühl immer skeptisch gegenüber. Aber es war so einfach leichter zu formulieren und ich möchte jetzt den Text auch nicht mehr umtippen :-)

Ich freue mich auf weitere Anregungen...

Grüsse
Nachtschatten





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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 03.04.2009 06:21
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