Dänemark schafft SM als Krankheit ab  hilflos, gefesselt und erregt  Dänemark schafft SM als Krankheit ab
Dänemark schafft als erstes Land per Verbot durch das Gesundheitsministerium vor 29 Jahren die Diagnose F65.5 der ICD-10, also SM als Krankheit, ab.

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Re: meine Rezension - Shades of Grey

geschrieben von nachtschatten  am 19.09.2012 um 11:31:43 - als Antwort auf: Re: meine Rezension - Shades of Grey von spazio
"Eine ähnliche Kompensation findet für viele zweifellos auch durch SM statt. Beileibe nicht für alle ist SM (nur) eine nette Freizeitbeschäftigung oder eine Möglichkeit zur Wiederbelebung des (evtl. schon in die Jahre gekommenen) Ehe-Sexlebens.
"


Ich finde es gut, dass das mal so unkompliziert gesagt wird. Eine Bestätigung dieser Ansicht sehe ich allein schon darin, dass viele Menschen ihren Fetisch oder ihre Neigung brauchen, um sich insgesamt wohl zu fühlen. Sie suchen sich das nicht willentlich aus. (Ich könnte auch schreiben WIR suchen uns das nicht willentlich aus) Mir ist übrigens bewusst, dass ich hier zu einem gewissen Teil der Ansicht von Iris Dankemeyer , die ich im Thread Bestseller zitiert habe, widerspreche.

Dass Sadomasochismus oder Fetische und Ähnliches für Menschen eine entscheidende Rolle bei der Herstellung ihres seelischen Gleichgewichts spielen, wird von vielen psychologischen und psychoanalytischen Schulen übereinstimmend so gesehen. Unterscheiden tun sich diese Schulen vor allem darin, wie sie den "seelischen Mechanismus" erklären oder verstehen wollen.

Aber das mal beiseite:

Ganz entscheidend finde ich bei dieser Sichtweise, dass man nicht einfach davon ausgehen muss, dass SM zu etwas Schlechtem wird, nur, weil es möglicherweise unbewusst, oder bewusst eine Art Funktion im Seelenleben eines Menschen darstellen könnte.

Selbst, wenn es so sein sollte, dass man damit eine verdrängte kränkende Situation aus der Kindheit erneut mit siegreichem Ausgang inszeniert (vgl. Robert J. Stoller) oder man damit seinen Zugang zu sexueller Lust rettet, der in der Kindheit durch Verbote und Scham den Weg zur "genitalen" Sexuaität nicht mehr ganz nehmen wollte (vgl. Freud bzw. Wilhelm Reich). Was spricht dagegen, dass eine derart entstandene Neigung nicht ganz im positiven Sinne und ganz nebenbei die Aufgabe erfüllen darf? Warum nicht diese ganz besondere Fähigkeit, die der "Perversion" damit innewohnt schätzen und anerkennen, man könnte sogar sagen: nutzen?

Alle derartigen Modelle sind ja immer nur Hilfskonstruktionen, weil wir unser inneres Seelenleben nicht wie ein Organ sezieren und im Mikroskop betrachten können. Aber diese Modelle zu entwickeln und zu verstehen könnte aus meiner Sicht auch viele positive und hilfreiche Wirkungen haben. Vor allem für Menschen, die an bestimmten Neigungen eher leiden als dass sie darin Erfüllung finden, oder deren Neigungen im Widerspruch zu sozialen Normen oder der Unversehrtheit ihrer Mitmenschen stehen, wie zum Beispiel im Fall der Pädophilie.

Ich persönlich denke deshalb, es wäre falscher Stolz, sich diskriminiert zu fühlen, nur weil der eigenen Neigung theoretisch eine Funktion im Seelenleben zugesprochen wird. Etwas ganz anderes wäre es, genau diese Funktion zu pathologisieren und damit ausschließlich als behandlungsbedürftig zu erklären. Vielmehr ist vielleicht oft das positiv besetzte Ausleben der Neigung die beste „Behandlung“, die sich dem Betroffenen wie ein Selbstheilungsmechanismus bereits von selbst aufdrängt.

Manch einem ist es vielleicht zu viel, so weit zu graben, und er oder sie ist damit zufrieden, sich mit einem oder mehreren vertrauensvollen Partnern oder Partnerinnen (oder Gegenständen – Tiere sind ja rein rechtlich gesehen eher bedenklich) einvernehmlich auszuleben. Es ist doch keine Frage, dass man das dann auch einfach so belassen kann. Hier ist der Punkt, an dem dann eher konservative Moralisten versuchen, sich der psychologischen Modelle zu bedienen, um dem, was sie nicht sehen wollen, den Charakter des krankhaften zuzuschreiben und ihre Abwehr damit zu rechtfertigen.
Dieser Ansatz muss aber nicht zwingend den Modellen selbst zugrunde liegen. Es bleibt letztlich immer eine Frage des kulturellen Selbstverständnisses, wie man mit Erkenntnissen umgeht, wie man sie nutzt, interpretiert und versteht.

Was die hier genannten Beispiele angeht, kenne ich nur „Secretary“. Ich finde aber, in diesem Film wird genau der von mir angedeutete „Selbstheilungsprozess“ durch das Ausleben von SM-Neigungen thematisiert. Besser noch: die Neigung ist nicht einfach da, sondern die seelische Energie, die die Hauptfigur zuvor in Rituale der Selbstverletzung und des Selbsthasses steckt, wird erst umgeleitet in eine sadomasochistische Aktivität. Das aber führt dann zu einem Aufblühen ihrer Persönlichkeit, weil sie auf diese Weise einen entscheidenden Anteil dieser Energie durch das partnerschaftlich vertrauenswürdige SM-Ritual sexualisieren kann. Positives sexuelles Erleben kann Charakterblockaden aufbrechen und somit findet die Protagonistin zu mehr Selbstbewusstsein und Lebensfreude, während sie sich von den klebrig- beklemmenden familiären Banden immer weiter löst, die ihre sexuelle Blockade mitverantworten und sie erst in die Selbstverletzung als Ableiter geführt haben.

Ich finde, wenn der Film diesen Teil weglassen würde, würde nicht nur die Handlung fehlen, sondern SM würde sinnlos als eine mögliche Variante unter vielen erscheinen, die man hätte wählen können. Etwas, dass nach meinem Eindruck viele Sadomasochisten so nicht empfinden.

Wie es nun bei „Shades of Grey“ aussieht, kann ich nicht sagen. Nach allem, was ich höre, schreckt mich das Lesen des Buches immer mehr ab. Ich müsste es wohl beinahe doch noch lesen, um mir endlich ein richtiges Urteil bilden zu können. Wenn es nicht überall sooo langweilig klingen würde.

Naja, ich hoffe, dass meine Gedanken zu dem Thema hier trotzdem einen Platz finden.


Grüsse

nachtschatten
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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 19.09.2012 11:31
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