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Re: "Die richtige Sub" ...zum Beitrag von Seilchen

geschrieben von nachtschatten  am 24.11.2011 um 01:54:03 - als Antwort auf: Re: "Die richtige Sub" ...zum Beitrag von Seilchen von BigBoy
Hallo BigBoy,

den folgenden Text zu schreiben fällt mir nicht leicht, aber ich habe noch einige Zeit über deine Darstellungen nachgedacht, und ich muss das irgendwie noch loswerden.

Du schreibst:

„Waren Folterknechte im Mittelalter bloß emotionslose Erfüllungsgehilfen, oder durften/konnten diese ihre (auch sexuelle) Lust ausleben?? Wie (und wer) konnte man damals Folterknecht werden? Das könnte, sogar die (geschichtlich belegte) Willkür der Gerichte erklären, um auf „legale“ Weise die „richtige Sub“ zu bekommen. Also der „Umkehrfaktor“ (von dem wie Liara schreibt „aus der sexuellen Neigung der Partnerin einen Realen Vorteil ziehen“) aus der realen Welt einen sexuellen Vorteil zu ziehen.“



Ich glaube, für mich ist es einfach unglaublich schwer nachzuvollziehen, wie jemand einem anderen Menschen systematisch Leid zufügen kann, ohne auf diesen einen ganz persönlichen Hass zu verspüren, oder aber eine versteckte, oder offene sadistische Ader zu haben.
Wenn das Personal von Gefängnissen Menschen, die ihnen ausgeliefert sind foltert, dann sehe ich keinen persönlichen Bezug zu diesen Menschen, der einen unmittelbaren Hass herstellen könnte. Deshalb kann ich mir das irgendwie nur erklären durch einen gewissen Sadismus – offen, oder eben versteckt, aber auf jeden Fall mit Lustgewinn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so einen Job macht, der nicht irgendwo tief in sich drin mit dem Gefühl leben kann. Aber gut, ich kann es nicht wissen.

Das Schwierige an der ganzen Sache ist ja, dass derartige Szenarien (ich denke für alle bekannt) durchaus in einvernehmlichen SM-Inszenierungen nachgespielt werden oder Stoff für fiktive Geschichten sind. Im Grunde wird das dann so gesehen, dass eine Welt nachträglich sexualisiert wird, die in Wahrheit gar nicht in der Form sexuell ist. Vielen hilft es deshalb vielleicht, dass sie ihre Fantasien ins ferne, „finstere“ Mittelalter projezieren, oder in bizarre Fantasiewelten. Und das finde ich auch alles völlig in Ordnung so.

Das Schockierende finde ich aber, dass die Frage, die du oben stellst gar nicht so unbeantwortbar bleibt, wie wir insgeheim doch hoffen. Denn so fern sind uns diese Verhältnisse nicht.

Das wissen wir spätestens seit den Skandalbildern aus Abu Ghraib.

Ich persönlich fand gar nicht so schockierend an den Bildern und Berichten, dass sie die Tatsache endgültig offenlegten, dass auch die USA foltern.
Viel verstörender fand ich damals den eindeutig sadistischen Kontext, in dem diese Bilder und Taten standen. Man erkannte aus den Beschreibungen und teilweise sogar aus den Fotos den eindeutigen Lustcharakter der Folterer (erzwungener Oralverkehr, Vergewaltigung etc..oder man denke an das Bild der Frau, die einen Gefangenen an der Hundeleine hat)

Das wirklich krasse finde ich auch, dass diese Taten von Menschen begangen wurden (und womöglich werden), die aus einem Land kommen, das eine wesentliche Rolle in der Verbreitung von SM-Kultur und Anerkennung dieser spielte. Die gleichen „Spiele“, die diese Soldaten mit ihren wehrlosen Opfern im Irak „spielten“, werden in den amerikanischen SM-Pornos auf einvernehmliche Weise gespielt (Elektrofolter, Waterboarding etc..) und dienen den Konsumenten dieser Pornos als Anregung.

Ich will um Himmels Willen nicht das eine mit dem anderen vergleichen! Hier ist das wichtige Schlagwort der Einvernehmlichkeit die wichtige und lebensrettende Grenze, die fest und sicher zwischen diesen und jenen steht und immer stehen muss. (Es gibt allerdings eine wirklich gute Dokumentation über eine solche mittlerweile untergegangene Seite, die auch hier ein gespaltenes Bild zeichnet – wer sie kennt, weiss wovon ich rede)

Mir geht es vielmehr darum: Wenn die Vorstellung, es handle sich bei den „grausamen Verbrechen der Menscheitsgeschichte“ um „abgeklärte Interessen“ an Beispielen wie Abu Ghraib zusammenbricht, wenn ich den sexuellen Sadismus bei diesen Soldaten ganz klar ablesen kann, dann stellen sich mir doch einige Fragen. Fragen, wie du sie oben eben irgendwie auch schon stellst.

Für mich waren die Bilder die mit diesem Skandal veröffentlicht wurden ein Ereignis mit historischer Tragweite (zumindest hätte ich das für die SM-Kultur erwartet) Der Versuch vieler SMler, alles so „echt“ wie möglich sein lassen zu wollen wurde für mich in diesem Moment ad absurdum geführt.
Für mich war damals klar, was wir eigentlich immer schon wissen – dieses „echt“ gibt es, und es bedienen sich Menschen mit der gleichen sadistischen Lust, die andere haben, wenn sie ihre Fantasien verzweifelt inszenieren um es mit ihrer Ethik zu vereinbaren.

Ich denke, die Hoffnung, in längst vergangenen Zeiten zu schwelgen und zu fantasieren (wenn du zum Beispiel im Foltermuseum stehst)  fällt mit der zunehmenden Offenheit der heutigen Brutalitäten in sich zusammen. Jede Inszenierung, um die wir uns bemühen, hat noch immer ihren „großen Bruder“ da draussen. Sexuelle Sklaverei, brutale Züchtigung, Folter, Bestrafung etc...

Ich fand den Gedanken irgendwann absurd, letztlich genau besehen und im Prinzip das Gleiche zu wollen, wie diese Sadisten da draussen, aber mir dann zu wünschen, dass es noch dazu einen Menschen gäbe, der das alles auch so will, damit ich meine Verantwortung als Mensch nicht in Frage stellen muss. Einvernehmlichkeit wird so etwas, mit dem ich mich nur schütze vor meiner eigenen Moral, aber nichts, das aktiv mit dem Menschen zu tun hat, den ich vor mir habe und lediglich dessen „ja“ begehre. Ich fragte mich, ob es denn wirklich „das Gleiche“ ist, und wenn nicht, wie ich denn den Unterschied festmachen kann.

Deshalb kam für mich der wichtige Punkt der anerkannten Paradoxie hinzu, den ich in meinem vorherigen Text eingeführt habe. Das schafft für mich den entscheidenden Unterschied, dass es eben nicht darum geht, eine möglichst reale Situation der Unterwerfung oder Auslieferung zu erschaffen, sondern dabei stets irgendwo zu akzeptieren, dass ich genau das Gegenteil will: Liebe, Freiheit, Geborgenheit.

Mir persönlich wurde es damit zunehmend wichtig, das, was ich bei Bondage oder SM erlebe mit dem Gewicht auf die Liebe, die Erotik, die Zärtlichkeit zu betrachten. Etwas darin zu sehen, bei dem ich aktiv auf einen Menschen eingehe. Ich brauche keine Fantasien oder Regeln mehr. Von „düsteren Inszenierungen“ „grausiger Rituale“ bin ich nunmehr wohl langsam bei dem angelangt, was ich ein Liebesspiel nennen würde. (Ganz tief in der Fantasie sind manchmal noch die eher düsteren Bilder, und ich mag sie und sie gehören dazu. Aber ich verstehe einiges davon mittlerweile viel besser – vor allem die eigenständige Rolle der Fantasie)

Und erst beim Stino-Sex habe ich gelernt, was mir all die Jahre am meisten fehlte: die echte intime Nähe zu einem anderen Menschen während körperlicher Lust.

Seitdem bin ich auch beim Bondage und beim SM ein Fan von ausgedehntem Knutschen geworden.

Und, ich kann mir nicht helfen, aber wenn ich die Nähe mal wieder ein wenig weglasse, dann fühle ich mich danach nicht so erfüllt.
Und so richtig Nähe zuzulassen: Da gibt es Einiges zu lernen für sie und ihn. In dieser Hinsicht wurden wir in dieser Welt wohl alle, mal mehr, mal weniger, „verkorkst“.

Ich glaube sogar, der Wunsch, einem Menschen ganz zu gehören, oder einen Menschen ganz zu besitzen drückt eigentlich auch den Wunsch aus, mit diesem Menschen geradezu zu verschmelzen – ihm so nah wie möglich zu sein.

Soll ich das jetzt so abschicken? Ich mach es einfach mal...

Grüsse

nachtschatten

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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 24.11.2011 01:54
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