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Re: BDSM in der ARD

geschrieben von nachtschatten  am 15.08.2013 um 23:23:48 - als Antwort auf: BDSM in der ARD von tnt537
Also ich habe mir jetzt länger überlegt, ob ich mich dazu äussern soll. Ich fürchte nämlich, dass es schwer wird, genau zu erklären, was ich dazu denke.

Also prinzipiell finde ich es natürlich gut, dass das Thema öffentlich diskutiert wird. Ich habe bei solchen Dokus nur immer wieder so ein Unbehagen. Und ich frage mich: warum?

Ich denke, es hat damit zu tun, wie das Thema behandelt wird. Es geht, kurz gesagt, um Kategorien. Ich habe das Gefühl, dass der neue, unübersehbare Hype um BDSM darauf hinaus läuft, den Menschen Richtlinien zu geben, mit denen sie sich und andere einordnen können. Und das gefällt mir nicht.

Mag sein, dass das vielen Menschen hilft, eine Identität zu finden. Anderen hilft es, das, was sie nicht verstehen wollen, in eine Schublade stecken zu können, die ihnen weniger supekt ist.

Ich glaube, hier wird vielmehr das Bedürfnis befriedigt, den Dingen eine Ordung zu geben, als dass es darum geht, eine wirkliche und wahrhaftige Offenheit für das Menschliche schlechthin zu schaffen. Ich bin so, du bist so - Ich gehöre hier hin, du dort hin: Ich mag so ein Denken nicht.

Menschen sind viel zu komplex und einzigartig, um sie so zu kategorisieren.

Natürlich ist es auch sinnvoll, Dinge einzuordnen! Ein Forum wie dieses würde nicht funktionieren, wenn es sich keinen ordnenden Rahmen geben würde. Nur so hat man eine Richtlinie, die einem sagt, dass man hier irgendwie am richtigen Platz ist. Und solche Plätze braucht es.

Aber ich mache da einen großen Unterscheid, wenn es darum geht, Themen wie BDSM in eine offene gesellschaftliche Debatte einzubringen, wie es zum Beispiel in den Mainstream-Medien der Fall ist. Ich sehe hier eine andere Zielsetzung. Hier wird immer auch nicht-BDSMlern erklärt, wie oder was BDSMler sind.

Und genau das ist der Punkt. Es geht vordergründig angeblich darum, zu erklären, was BDSM ist. Aber alle diese Formate laufen letztlich darauf hinaus, zeigen zu wollen, was BDSMler sind. Ich hoffe, der Unterscheid, den ich hier aufzeigen will, wird ersichtlich.

Wenn ARD so etwas zeigt, dann wissen die, dass sie zu einem großen Prozentsatz Menschen ansprechen, die keine erntshafte selbstbetroffene Auseinandersetzung mit dem Thema haben. Es ist immer ein großer Anteil des Sex and Crime Publikums, das da angesprochen werden soll. Und die gespielte unbetroffene Naivität der Moderatorin in der hier erwähnten Doku macht auch ganz klar deutlich, dass es hier um den Blick des Aussenstehenden geht!

Das ist keine Sendung von ganz bestimmten Menschen für ganz bestimmte Menschen. Aber es ist auch keine Sendung, die wirklich das Ziel hat, Menschen aufzurütteln. Im Grunde hat diese Sendung die Perspektive der Freakshow, wie sie im 19. Jahrhundert existierte. Und die Freaks sind in diesem Fall die "BDSMler".

... Menschen, denen man ein Schild umhängen kann. Es ist egal, ob man sagt: "die wollen das halt so", oder : "wir wollen das halt so". Es geht um Schubladen. Und das gefällt mir nicht.

Für mich gibt es einen ganz entscheidenden qualitativen Unterscheid, wenn es darum geht, Themen öffentlich zu diskutieren und dabei auch schwierige Inhalte zu thematisieren:

Im einen Fall werden der breiten Öffentlichkeit Antworten gegeben. Das ist der Fall in dieser ARD-Doku. Im anderen Fall wird die Öffentlichkeit herausgefordert, Fragen zu stellen, die auch unbequem sein können. Wahre Veränderung ist immer unbequem! Und deshalb bin ich sehr skeptisch, zu glauben, dass derart bequeme Formate ein wirklicher Beitrag sind zu einer wirklichen Veränderung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung.

Ich will ein Gegenbeispiel nennen:

Wirklich aufgewühlt hat aus meiner Sicht in den 1970er Jahren das Buch von Nancy Friday: "My secret Garden"

Und ich finde dieses Buch noch heute lesenswert, obwohl es aus einer Zeit kommt, die längst hinter uns zu liegen scheint. Hier beschreiben anonyme Frauen ihre sexuellen Fantasien. Auch Nancy Friday macht den Versuch, die Fantasien ein wenig zu ordnen. Aber sie zeigt zugleich die Fülle und Vielfalt, die mitten aus der Gesellschaft entspringt. Sie schreibt eben NICHT: Diese Frau hat dieunddie Fantasie, weil sie BDSMlerin ist. Sondern sie schreibt: Diese Mutter mit zwei Kindern hat folgende Fantasie - diese glücklich verheiratete Büroangestellte hat folgende Fantasie - Diese alleinstehende Frau mitte dreissig lebt folgende Fantasie mit einem Mann aus... usw.

Und eines kann ich sagen: was da beschrieben wird ist irrer als alles was die ARD-Doku zu sein glaubt. Es ist menschlich - und seriös dargestellt. Und deshalb denke ich, dass dieses Buch noch heute mehr Menschen herausfordern wird, als es eine BDSMler Doku je kann - weil es aus der Mitte der Gesellschaft kommt und niemandem hilft, andere oder sich einzuordenen. Es hilft nur bei einem: Sich zuzugestehen, dass man gar nicht so verrückt ist; und dass die meisten nur nicht so gerne über all das sprechen!

Aber so ein Buch wird auch BDSMler herausfordern. Es zeigt, dass viele Wege existieren, seine Lust zu finden. Es ermutigt, sich selbst zu leben und zu finden, anstatt einem zu zeigen, wo man hingehört.

Ich vermisse derartige Ansätze viel zu oft.

In diesem Forum gibt es übrigens immer wieder Beiträge von Menschen, die sehr genau beschreiben, wie ihr Fetisch aussieht und was sie ganz persönlich damit verbinden. Ich finde das grossartig und bereichernd. Das ist das, was Nancy Friday damals mit ihrem Buch erreichte. Man erkennt, wie persönlich und einzigartig ein Fetisch sein kann, dass er immer wieder die eigene Geschichte wiederspiegelt und dass man das Bereichernde daran ganz ohne Ängste annehmen kann. Und - was Friday auch immer wieder erwähnt - dass man seine Fantasien annehmen soll.

Man stelle sich mal vor, es läuft eine Doku über das Züchten von Zucchinis, und dann wird jemand interviewt und es wird erklärt, dass das der typische Zucchini-Züchter ist. Und dann sagt einer: "Ich wusste es schon immer, ich bin Zucchini-Züchter!!" ... oder: "Jetzt verstehe ich meinen Sohn, er ist eben auch so ein Zucchini-Züchter"

Ist es das, was wir für BDSM wollen? Geht es nicht vielmehr darum, dass wir unseren Nachbarn einfach mal die Zucchinis in unserem Garten zeigen können, ohne dass der meint: "Ach so, du bist also auch so ein Zuchhini-Züchter. Da habe ich neulich eine Doku im Fernsehen gesehen, über Leute, die Zucchinis züchten und da hieß es, dass..."


Liebe Grüsse

nachtschatten





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Ich, Seilchen, distanziere mich hiermit vom Inhalt dieses Beitrags und mache mir diesen in keiner Weise zu eigen. 15.08.2013 23:23
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